47. Delta Llooyd 24 Uurs Zeilrace am 26. - 27.08.2011


Schon im Juli stieg das alljährliche 24 Uurs-Fieber in der JAZARA-Crew deutlich an. Diese wiederkehrende Virusinfektion trat nun schon zum 18. Mal auf, nachdem sie 1992 noch mit Hilfe der CHOU CHOU zum ersten Mal ausgebrochen war. Das Fieber äußerte sich in einer ständig ansteigenden Verfolgung der Wetterentwicklung und der permanenten Simulation von verschiedenen Wettfahrtszenarien (Routen).

Die 24 Uurs-Herausforderung ist, in 24 Stunden möglichst viele Meilen auf einem vorgegebenen Bahnennetz im Verhältnis zum Rennwert (Rating) der jeweiligen Yacht zu erzielen. Dabei starten die Teilnehmer in ihren Gruppen freitagabends (unsere Gruppe 19:15 Uhr) gleichzeitig bei 15 verschiedenen Häfen rund um das Ijssel- und Markermeer verteilt. Die Teilnehmer segeln dann eine durchlaufende Strecke auf dem Bahnennetz, wobei jede Bahn nur zweimal gesegelt werden darf. Alle Teilnehmer haben nach 24 Stunden einen gemeinsamen Zieleinlauf (unsere Gruppe 19:15 Uhr) in Medemblik. Wer zu früh kommt, verschenkt Zeit. Wer zu spät kommt, dem werden Strafmeilen abgezogen. Für Schleusendurchfahrten (Enkhuizen und Abschlußdeich) erhalten die durchfahrenden Teilnehmer Vergütungen. Die Regatta hat neben Segeltechnik und Wetterstrategie weitere Erfolgskomponenten. Je nach Windrichtung und -stärke ist die Wahl des Starthafens und die daraus resultierenden Bahnenverläufe von entscheidender Bedeutung für den Erfolg. Fast noch wichtiger ist die Entscheidung, ob man aufs Watt fährt und/oder im Markermeer startet sowie mit oder ohne Spi meldet. Darüber hinaus muß sich die Crew 24 Stunden lang quälen und permanent trimmen.

In den Wochen vor dem Start werden von der Crew viele Modelle aufgestellt und verworfen. Insbesondere kommt Jens mit seinem Rechenprogramm RAK24 ins Spiel. Um alle strategischen Optionen offen zu halten und um nach Regattaabschluß eine einfache Transportlogistik zu haben, hat es sich bewährt, JAZARA am Tag vor dem Start (Donnerstag) nach Medemblik zu verholen. So wurde auch dieses Mal verfahren. Enrico, Guido und HaJo segeln JAZARA am 24. August von Lelystadhaven zum Regattazentrum bei Medemblik. Dort stoßen noch um 22 Uhr Jens und Dieter zur Crew. Jens bringt natürlich das neueste Ausrechnungsszenario mit. Die längste Segelstrecke wird nicht bei Fahrt im Watt und/oder Start im Markermeer erzielt, sondern bei Start und nur Segeln im Ijsselmeer erreicht. Jens hat unglaubliche 184 Meilen ausgerechnet. Bei unseren bisherigen Teilnahmen haben wir maximal 154 Meilen erreicht. Dementsprechend sind wir skeptisch, aber er kann uns insbesondere zu Beginn gute lange Halbwindkurse offerieren (damit kommt man kräfteschonend durch die Nacht). Da wir ohne Spi gemeldet haben, sind wir mit dem Konzept einverstanden, überführen JAZARA am Freitagvormittag nach Enkhuizen-Nord als Starthafen. Gönnen uns dort einige Ruhestunden im Starthafen und stärken uns mit Kibbeling.

Wir starten um 19:15 Uhr in führender Position in Richtung Tonne KG. Mit uns starten in der gesamten Wedstrijdklasse ORC knapp 40 Schiffe. Bis zur Tonne KG werden wir nur von wenigen deutlich größeren Schiffen überlaufen, die so wie der größte Teil der übrigen Mitstarter in Richtung Abschlußdeich abbiegen. Wir segeln mit wenigen Mitstreitern und einigen zweifelnden Gedanken in Richtung Urk (Tonne EZD). Der Wind ist frisch 5 - 6 Bft aus SW. Wir loggen ständig um 7 - 8 kn und so geht es im Wesentlichen auf den folgenden Bahnen durch die Nacht weiter. Wir missbrauchen bei zunehmenden Windperioden die „alte“ Regattagenua als Rollsegel, fahren ab und an das Groß im ersten Reff, damit Ruderdruck und Krängung erträglich bleiben. In der Nacht ist die Sicht, trotz Bewölkung, ganz passabel. Der schon bei ähnlichen Bedingungen erlebte und befürchtete „blackout“ bleibt aus. Jens optimiert kontinuierlich am PC unsere Bahnen und sorgt für Kurse, die uns in die Nähe von 160 Meilen bringen sollen. Von Samstagmorgen bis zum frühen Nachmittag bleibt der Wind im 6 Bft-Bereich. Dunkle Wolken ergeben ein eindrucksvolles Bild. Auch drei furchterregende Windhosen (die einige Teilnehmer abbrechen lassen) unterbrechen nicht die eingespielte Bordroutine. Lediglich Guido beklagt die schlechte Sichtbarkeit der Bordinstrumente, dafür bekommt er Steueranweisungen, orientiert an anderen Schiffen.

Am Samstagmittag finden Jens und Enrico einen Risikokurs, der uns über 160 Meilen hinaus bringen kann. Es ist eine Entscheidung zwischen „Barfuß oder Lackschuh“. Ein Schlag zur VFA kann uns über 160 Meilen bringen, aber auch - wie schon einige Male erlebt - eine verspätete Zieldurchfahrt mit Strafmeilen kosten. Ohne diesen Schlag würden wir auf jedem Fall rechtzeitig, allerdings nur mit 155 Meilen ins Ziel kommen. Es ist keine Frage, wir gehen das Risiko ein. Im Laufe des Nachmittags flaut der Wind zwar etwas auf 4 - 5 Bft ab, doch unser Risiko zahlt sich aus. Wir erreichen das Ziel punktgenau innerhalb des straffreien Zeitlimits um 19:10 Uhr. Anschließend laufen wir nicht wie sonst den Binnenhafen an, sondern den vorreservierten Platz im Regattazentrum. Dadurch ist der gesamte Ablauf deutlich stressfreier, aber es fehlt auch etwas die typische 24 Uurs-Stimmung.

Jens stellt nach dem Anlegen die „Verklaring“ (Dokumentation des Rennverlaufs) zusammen. HaJo überprüft nach bestem Wissen und Gewissen alle Bahnmarken und Art der Rundung. Wir haben phantastische 168,38 Meilen gesegelt und unser erstaunlicher Wertungsfaktor ist 1,3581 (d.h. wir haben 35,81 % mehr gesegelt als unser nach dem Rating zu erwartendes Etmal von 100 %). In diese Dimension waren wir noch nie vorgestoßen - 1,2 und ein paar Gequetschte war bisher unser bester „performance factor“. Unsere Durchschnittsgeschwindigkeit einschließlich der vielen Tonnenrundungen - die Zeit fressen, aber keine Strecke geschweige denn Geschwindigkeit machen - betrug knapp über 7 kn. Wir geben um 21:30 Uhr die Verklaring im Regattabüro ab, nachdem wir uns durch den üblichen Trubel von etwa 700 Yachten mit fast 5.000 Personen Besatzung gekämpft haben. Auf dem Ergebnisbord ist erst ein Drittel in unserer Klasse ausgewertet. Deshalb konzentrieren wir uns zunächst auf unsere Defizite: Der Hunger wird am Grillstand gestillt und das Flüssigkeitsdefizit mit einigen Heineken bekämpft. Inzwischen kommen schon die ersten aufmunternden telefonischen Kontakte zur Außenwelt zustande. Zwischenzeitlich, wir mögen es kaum glauben, stehen wir auf dem 1. Platz. Reinhold von der Stammcrew hatte daheim unser AIS-Signal online verfolgt und uns auch schon im Laufe des Tages zu unserer Performance gratuliert. Er spricht uns noch einmal seine Anerkennung aus. Darauf löschen wir weiter unseren Durst und schicken uns gegen 23 Uhr an, den Heimweg ins Regattazentrum anzutreten. Dabei werfen wir noch einmal einen Blick auf das Ergebnistableau und finden uns auf dem 2. Platz in unserer Gruppe wieder. Es sind aber immer noch nicht alle Teilnehmer ausgewertet. Trotzdem gehen wir mit der Aussicht in die Kojen, in den Preisen zu landen.

Am nächsten Morgen bei der Preisverleihung vor dem Schloss Radboud wird es Realität: Wir sind in Gruppe ORC3 bei 53 gemeldeten Schiffen Zweiter geworden. Auch unsere Platzierung unter den 149 ORC Schiffen ist nicht zu verachten - hier sind wir Dritter. Mit diesen Ergebnissen kommen wir zu der Auffassung, dass die Saison doch noch gerettet ist. Ein unterirdisches Ergebnis beim NRW-Cup und eine Nichtteilnahme bei der Ramsgate Week waren bisher kein Ruhmesblatt.

Die 24 Uurs-Infektion 2011 ist inzwischen fast abgeklungen. Die restliche Virulenz initiierte den Skipper dazu, endlich diesen Bericht bei +25 °C am sonnigen Strand von Alanya zu schreiben. Darüber hinaus ist nicht auszuschließen, dass der 24 Uurs-Virus nächstes Jahr wieder ausbricht, ganz bestimmt aber beim 50. 24 Uurs Zeilrace in 2014 und noch anhält, bis die „jaarcijfer“ 25 erreicht ist.

Skipper HaJo



Wie immer, hat die Wettfahrtleitung Unmengen von Zahlen und Fakten analysiert und im Ergenisheft aufgelistet. Hier ein kleiner Auszug:

Meldungen 685
gestartet 607
durchs Ziel gefahren 515
regulär gezeitet 474

Es haben also von den gestarteten 607 Besatzungen 92 das Ziel nicht erreicht. 474 haben die Regatta regulär beendet. Das sind 78 %.

Die Grafik zeigt unseren Kurs.

Enrico




Die Ergebnislisten können hier aufgerufen werden.

24 Uurs Zeilrace

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P1010509 P1010512 P1010514 P1010515
P1010517 P1010524 P1010532_2 P1010535
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